Berlin – Museum for Urban Contemporary Art

Wem gehört eigentlich Street Art? Von Städten und Gemeinden gerne als Verschandelung des öffentlichen Raums verteufelt, hat sich Street Art in den vergangenen Jahren immer stärker den Weg in die Herzen von Kunstliebhabern und Öffentlichkeit gearbeitet. Namhafte Street Artists sind heute so gefragt wie nie, signierte Kunstdrucke, Multiples, Art Toys, Bildbände etc. gehen mittlerweile gerne weg wie warme Semmeln und das Sammeln eben dieser hat sich – ähnlich wie bei Whisky, Sneakers, Retro Games und allem, was sonst noch irgendwie nach Subkultur und Coolness-Faktor riecht – zu einer zinsträchtigen Geldanlage entwickelt; für Reseller gleichermaßen wie für Galeristen und den eher elitären Klischee-Kunstsnob.

Muss allerdings natürlich schön aussehen und irgendwie von der Szene als cool befunden worden sein, ehe man den Leuten, für die sie gemacht wurde, die Kunst wieder wegnimmt und sie gegen Höchstpreise weiterverscherbelt.

Das ist ein Problem, mit dem Street Artists immer wieder zu kämpfen haben. Bloß gehen sie selten so konsequent gegen die Vereinnahmung ihrer öffentlichen Kunst durch die Privatheit vor, wie der italienische Künstler Blu, der gerade in seiner ehemaligen Heimatstadt Bologna fleißig alle seine Werke übermalt und somit unkenntlich macht. Aus Protest. Grund dafür ist die bevorstehende Ausstellung “Street Art: Banksy & Co. – L’Arte allo Stato Urbano“ in Bologna, die wohl viele Werke der Street Art Szene zeigt, die sie eigentlich nicht zeigen können dürfte – eben weil die Werke niemandem gehören und im öffentlichen Raum entstanden sind. In klassischen Kunstkreisen würde man wohl von Kunstraub sprechen, wenn beispielsweise eine Skulptur Anish Kapoors plötzlich ungefragt aus dessen Atelier verschwinden würde, um in einem Museum dieser Welt wieder aufzutauchen. Bei urbaner Kunst scheint indes bei den Kuratoren und Sammlern dieser Welt Einigkeit zu herrschen, dass es schon völlig in Ordnung geht, wenn man die Kunst ihres Kontextes beraubt und in vom Künstler nicht gewolltem Umfeld zeigt.

Dabei scheint die Logik sogar einleuchtend. Viele Werke entstehen nach wie vor illegal auf Hauswänden. Was illegal dorthin gekommen ist, kann ja nicht illegal entwendet werden, oder? Wer’s findet darf es behalten.

Nö. Sagt eben Blu und übermalt fleißig weiter.

 

 

Vor diesem Hintergrund würde mich interessieren, wie andere Straßenkünstler mit der Vereinnahmung ihrer Werke umgehen – und wie etwa die Pläne aufgenommen werden, in Berlin ein eigenes Museum für Contemporary Urban Art – im Volksmund auch “Streetart-Museum” genannt – entstehen zu lassen.

Grundsätzlich gefällt mir der Ansatz, den Menschen Street Art näherzubringen und zu zeigen, dass eben nicht alles bloße Schmiererei ist, was da so auf Hauswände gesprüht wird, ja ziemlich gut. Sätze wie folgender, wie sie heute im Tagesspiegel zu lesen sind, lassen allerdings innerlich die Alarmglocken laut losschrillen:

“Wer sich an den ausgewählten Hauswänden künstlerisch austoben darf, entscheidet Yasha Young [Anm.: die künftige Kuratorin des Museums] – und auch, welches Kunstwerk wann für seinen Nachfolger weichen muss. “

Künftig wird Street Art also ein bisschen legaler, aber wer wann wo malen darf und welche Werke künstlerisch so wertvoll sind, dass sie eher konserviert werden als andere, entscheidet dann nicht mehr die Stadtreinigung oder der Hausbesitzer, sondern ein kuratierendes Gremium. Oder was ist die Absicht?

So hehr die Beweggründe zur Eröffnung eines Museums auch sein mögen, so sehr ich es begrüße, dass Künstler an Bekanntheit und Bedeutung gewinnen, so sehr sträubt sich in mir alles gegen den Versuch, Street Art – in welcher Form auch immer – zu institutionalisieren oder an den Künstlern vorbei (und darum geht hier meines Erachtens vorrangig) zu kommerzialisieren.

Street Art gehört auf die Straße. Bzw. dahin, wo der Künstler sich entscheidet, sie zu zeigen. Und wenn er sie als Druck, Buch, Fotografie oder was auch immer veröffentlichen und irgendwo sehen möchte, dann sollte das vorrangig seine Entscheidung sein.

links:

http://www.tagesspiegel.de/berlin/museum-fuer-urban-contemporary-art-in-schoeneberg-berlin-bekommt-ein-streetart-museum/13312360.html

http://www.taz.de/!5283285/

Website von blu:

http://www.blublu.org/

featured image: screenshot from video

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